Der Bundeswehr fehlt es an Nachwuchs: Etwa 22.000 Stellen in der deutschen Armee sind unbesetzt. Die seit Jahren mit großem finanziellen Aufwand betriebene Aufrüstung scheitert bisweilen am fehlenden Personal. So berichtetet die FAZ am 2.8.20 über den bisherigen freiwilligen Wehrdienst: “Im ersten Halbjahr 2020 bewarben sich rund 5200 Männer und Frauen für den 7 bis 23 Monate langten Dienst, im gesamten vergangenen Jahr waren es 11.200. Zum Vergleich: In den ersten Jahren nach Aussetzung der Wehrpflicht 2011 lagen die Bewerberzahlen noch über 18.000. “
Schon am 23. Juli hatte Annegret Kramp-Karrenbauer daher einen zusätzlichen neuen Freiwilligendienst vorgestellt. Unter dem Titel „Dein Jahr für Deutschland“ können bald jährlich 1.000 junge Menschen ihre sieben monatige Grund- und Spezialisierungsausbildung bei der Bundeswehr machen und werden danach „heimatnah“ in regionalen Reserveeinheit eingesetzt. Über sechs Jahre sollen die jungen Menschen dann für insgesamt fünf Monate an Reserveübungen teilnehmen. Derzeit sind 30 regionale Sicherungs- und Unterstützungskompanien flächendeckend im Bundesgebiet aufgestellt. An der Waffe ausgebildet werden – wie immer beim Freiwilligen Wehrdienst – schon junge Menschen ab 17 Jahren.
Auffällig ist auch die Werbung für den neuen Dienst: Das Logo dafür besteht aus dem Schriftzug „Dein Jahr für Deutschland“ mit Schwarz-Rot-Goldener Applikation. In einem Werbevideo heißt es: „Unser Wir braucht mehr von Dir. Schütze unsere Heimat. Wenn wir dich stark machen, machst du ein ganzes Land stark. Schütze unsere Heimat. Erlebe Kameradschaft. Mit dem Neuen Dienst in deiner Region. Zusammenhalt in Deutschland beginnt bei dir.“ Der neue Dienst dürfte also vor allem sehr rechte junge Menschen ansprechen.
Dass diese Verwendung im „Heimatschutz“, also im Inland, juristisch heikel ist, wurde in der Debatte um den neuen Dienst kaum thematisiert: Eine Lehre aus dem Nationalsozialismus war es, dass die Armee nicht im Inland eingesetzt werden darf. Dieser Grundsatz wird seit rund 20 Jahren immer weiter aufgeweicht – im Rahmen der Coronakrise drohte sogar erstmalig der Einsatz bewaffneter Infanterie im Inland: Soldat*innen sollten sensible Einrichtungen wie Liegenschaften des THW schützen. Der Einsatz wäre verfassungsrechtlich höchstbedenklich gewesen – wurde aber nicht realisiert. Das „Jahr für Deutschland“ ist jedoch ein weiterer Schritt Soldat*innen für den Dienst im Inland auszubilden und in Bereitschaft zu haben.
Kritik kommt auch von den Sozialverbänden, die den Bundesfreiwilligendienst bedroht sehen: AWO-Chef Wolfgang Stadler erklärte, er lehne es ab, im Zusammenhang mit der Bundeswehr von einem Freiwilligendienst zu sprechen. Der Begriff müsse ein zivilgesellschaftlich geprägter sein und bleiben. “Die Idee, einen freiwilligen militärischen Dienst an Deutschland einzuführen, vermischt Begrifflichkeiten, die sauber getrennt bleiben sollten.”
Mehr Infos auch unter https://www.gew.de/aktuelles/detailseite/neuigkeiten/werbetrick-um-minderjaehrige-als-soldaten-anzuwerben/